System

Während der Corona-Pandemie kam ein neues Wort auf: „systemrelevant“. Gemeint damit war: Unternehmen, die für das Funktionieren des gesamtwirtschaftlichen Getriebes als alternativlos wichtig erachtet wurden, ohne die demnach ein wesentlicher Domino-Stein des Systems kippen würde, diese Unternehmen sollten auf Biegen und Brechen vor dem Kollaps bewahrt werden. Mit vielen Milliarden wurde also aufrecht erhalten, was das System stabilisieren sollte.

Man könnte heute auch sagen: zementieren.

Das mit dem Stabilisieren hat nämlich nicht so ganz planmäßig geklappt. Das mit dem Zementieren – ob planvoll oder nicht – schon: Ein ganzes System verharrt seitdem in einer Art Schockstarre.

Mit dem System eng einher geht „Struktur“. Wir haben es zunehmend zu tun mit „struktureller Ungleichheit“, „struktureller Diskriminierung“, „struktureller Bildungsungerechtigkeit“, „strukturellen Konflikte“ und vielen anderen grundlegenden Problemen dieser Art mehr.

Man kann festhalten: Diese Phänomene haben mit einem Konstrukt zu tun, das eine Welt in Kästchen sortiert hat und keine Veränderungen ermöglicht, sie sogar verhindern will. Da trifft es sich gut, dass der Zement bombenfest haftet.

Die Chance, in einer seit Jahren und immer rapider stattfindenden globalen Transformation das bestehende System im Zusammenhang aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft in den diversen Facetten planvoll und strategisch zu transformieren, ist vertan worden. Die Mächte, die am Werk waren oder untätig blieben, hatten zu sehr mit sich selbst zu tun oder - schlimmer noch - waren und sind vor allem daran interessiert, für sich zu retten, was zu retten ist. Sie wollten und wollen ihre - um es sanft auszudrücken - Schäfchen ins Trockene bringen. Will sagen: ihre Macht (das hatten wir schon) zementieren, absichern, ausweiten und ihr Geld, ihr Eigentum, ihr Vermögen dabei weiter mehren.

Dies alles nach dem Motto: Das System, also relevant, sind wir.

Das Ergebnis dieser Machtverteilung, dieser Dominanz, dieses Konstrukts, das immer weniger mit dem Wesen von Demokratie zu tun hat, ist eine Gesellschaft, in der immer weniger teilhaben am Großen-Ganzen und immer mehr in ihre sogenannte Selbstverantwortung zurückgedrängt werden. Allerdings ist auch hier wieder das System das Problem. Denn es ermöglicht den Meisten diese Verantwortungsübernahme gar nicht. Diese Fähigkeit wurde in einem Bildungssystem mit Wurzeln im 19. Jahrhundert nicht gelernt, die Strukturen sind patriarchalisch; Partizipation, Integration, Entscheidungsfreiheit sind an elementaren Stellen nicht gegeben. Menschen werden verbreitet eher daran gehindert, sich eigenverantwortlich, mit ungewöhnlichen Ideen, experimentierfreudig und kreativ einzubringen und Neues zu schaffen.

Denn: Das könnte ja gefährlich sein. Gefährlich für den Machterhalt einer systemrelevanten Klientel. Von sozialrelevant spricht hier niemand.

Diese Entwicklung bzw. diese fehlende Entwicklung ist fatal. Die Kompetenzen, die menschliche Kraft, der Ideenreichtum, der in einer grundsätzlich bestehenden bunten Gesellschaft steckt, all das wird durch Borniertheit in einem System zurückgedrängt, das so dringend reformiert werden müsste, um Menschen Halt zu geben in einer Welt, in der sich gefühlt (und tatsächlich) alles verschiebt.

Ein System mit unterstützenden Haltepunkten, mit flexiblen Strukturen, mit dynamischen Ausmaßen - das würde Integration und Entwicklung ermöglichen. Und könnte so wieder Träger einer demokratischer Haltung sein.

Relevant wäre es allemal.

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