Nonkonformismus

Formen, Strukturen, Rahmen, Grenzen. All dies ist erfunden worden, soll geeignet sein, Dinge zu ordnen, sie zugänglich, vielleicht verständlich zu machen. Solche Methoden geben Halt, Orientierung, machen die Angelegenheit übersichtlich. Ob explizit oder stillschweigend - eine Gruppe Menschen einigt sich auf solche Bedingungen, die anderen folgen, alles ist geklärt.

Doch immer wieder brechen Einzelne aus solchen Regelwerken aus. Sie fühlen sich eingeengt, während das Denken sich für neue Erkenntnisse, für neue Perspektiven öffnet und etwas anderes erfindet.

Da dies in der Regel nicht sofort der große Wurf, das eindeutige Werk, das nützliche Instrument ist, dem sich alle begeistert zuwenden, sondern da solche Umbrüche experimentell verlaufen, suchend, fragend und unsicher, führen sie in der Regel (noch so eine Begrenzung) zu spontaner Ablehnung.

Kennt man nicht, versteht man nicht, will man nicht. Der Zugang zu jeder Veränderung ist anstrengend, unbequem, erfordert gedankliche und praktische Mühe und die Bereitschaft, sich etwas auch anders vorstellen zu können.

Vorstellungskraft ist die Grundlage jeder Veränderung. Veränderung wiederum stürzt Bestehendes um, stellt Formen in Frage. Egal ob es Formalien sind, auf die man sich geeinigt zu haben meint, eine Gestalt, in der die Dinge zu sein haben oder eine Methode, die allgemein und immer gültig sein soll, all das ist zwar geeignet, Ordnung zu geben, macht allerdings gleichzeitig zu. Eine solche Form ist abgeschlossen, hart konturiert, steht fest.

In einer Welt, die derart unerbittlich versucht, die Form zur Norm zu machen, ist jedes Andere eine Provokation. Nonkonformismus hatte es immer schon schwer. Während die Errungenschaften aus Technologie und Kommunikationsmöglichkeiten die Verheißung geweckt hatten, damit würde einer experimentellen, einer öffnenden und kreativen Menschheit Vorschub geleistet, zeigt die Wirklichkeit: Das Gegenteil ist der Fall. Die globale Welt ist eine gleichmachende, eine, die das Einzigartige solange in Formen presst, bis es der Logik des Verwertbaren entspricht.

Um hier eins klar zu machen: Nonkonformismus hat weder etwas mit Moden zu tun und noch weniger damit, soziale Vereinbarungen zu ignorieren oder gar alles umzustürzen, was dem Zusammenhalt, dem Menschlichen und dem dient, was das Miteinander ermöglicht. Nonkonformist:innen respektieren das Humane, sie nehmen es gar zur Grundlage, um Menschen neue Horizonte zu öffnen, sie immer wieder an ihre ureigenste Fähigkeit zu erinnern, sich das Bessere vorstellen zu können.

Die Welt hat noch nie so dringend diejenigen gebraucht, die das Verwertbare, das Eindeutige, das Gleichmachende und das Abnicken in Frage stellen. Die das alles zu überblicken versuchen, die sich einen intelligenten Reim auf die Zusammenhänge machen, die aufbrechen und mit dem Finger darauf zeigen. So lange, bis auch der letzte erkannt hat, dass die Form nur eine Scheinwelt ist, die dem Menschen nicht gerecht wird. 

Nonkonformist:innen, die sich nicht zufrieden geben mit dem Status Quo, die ausprobieren, was möglich ist, die aufbrechen und sich was trauen, die werden selten gefeiert. Dabei sind sie es, die die Welt, den Planeten, auf dem ein menschenwürdiges Leben auch in Zukunft möglich sein sollte, nach vorne bringen. 

Die Form lässt sich verändern. Die Umstände erfordern es. Feiern wir die nonkonformen Ideen.

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