Genuss

Zum Ende des 20. Jahrhunderts hat sich in der westlichen Welt die Vorstellung breit gemacht, es sei alles zu haben, es könnte jeder individuelle Anspruch nach Wohlstand, Glück und Grenzenlosigkeit erfüllt und das Leben fortwährend gefeiert werden. 

Es gab kein Halten. Der Hedonismus feierte seine Hochzeit mit einer Partei, die sich als Spaßpartei in den Wahlkampf begab. Und in der Werbung ging es morgens von Berlin los, mittags Zwischenstopp in London, mit der Concorde nach New York - das Haar hielt berauschend perfekt seinen Sitz. Strapazen gab es nicht, man wusste ja: Das goldene Zeitalter war erreicht.

Wehmütig schauen manche in diese gloriose Vergangenheit. Manche versuchen, sie aufrechtzuerhalten und die Illusion zu leben, dass es so weitergeht. Trotz alledem.

Andere, denen die Probleme spürbar näher rücken, versuchen es mit Abwehrhaltung - mal mehr, mal weniger aggressiv.

Von Genuss ist immer weniger die Rede.

Doch was ist dieser Genuss denn eigentlich? Kann man ihn nur definieren in einer Form von alles, immer, viel, sofort und dauernd erreichbar? Ist damit per definitionem eine Üppigkeit verbunden, die man sichern muss? Und ist dies die Voraussetzung für Glück?

Das darf wohl angezweifelt werden. Denn dann wäre Genuss nur für eine Minderheit auf dieser Welt möglich.

Wenn wir Genuss allerdings nicht in einer solchen Version als Luxus und in diesen Auswüchsen als überflüssig auffassen, sondern darin eine menschliche Fähigkeit sehen, Freude zu empfinden und auch zu geben, dann bekommt er eine ganz andere Bedeutung.

Egal ob es um Kunst geht, um ein Essen, Zusammensein, Naturwahrnehmung, Lernen, Erfolgserlebnisse, des Rätsels Lösung oder eine Beobachtung - man kann von so vielem erreicht und berührt werden. Wenn man sich erst mal darauf einlässt, die Welt auf sich wirken zu lassen.

Denn Kunst muss nicht spektakulär und teuer sein, Essen nicht in 5 Gängen aufgetischt werden, Zusammensein geht nicht nur an hippen Locations oder Erfolg nur auf der Karriereleiter, sichtbar über den Kontostand.

Genuss ist oft so viel kleiner. Und vielleicht macht genau das ihn besonders groß. Wer schon mal nach einem langen Winter warme Sonnenstrahlen begrüßt hat, kennt das Gefühl. Und das wiederum kann nur aufkommen, wenn man auch das Gegenteil kennt. Das wiederum nicht trübe sein muss, sondern die Freude darüber ausmachen kann, sich mal gemütlich in irgendeine Sofaecke zu verdrücken.

Das Alltägliche bietet so viele Möglichkeiten, Genuss zu finden. Man muss nur mal drauf achten. Dann kann man in Momenten schwelgen.

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