Gedanken
„Die Gedanken sind frei“ kennen wir als Liedtitel, mit dem man Revolution und Widerstand verbindet. Der Text wendet sich gegen Unterdrückung von Ideen, die etwas verändern könnten, einen Status Quo.
Diesen Gedanken sollten wir uns bewahren und dann weiterdenken.
Machen wir uns also mal Gedanken über Gedanken, was Gedanken sind, woher sie kommen, wie sie entstehen, warum sie überhaupt auftauchen und wozu sie gut sind. Bei Dingen wie Zahnbürste, Gummistiefel, Schlüssel oder dem allgegenwärtigen Handy können wir schnell erklären, was es damit auf sich hat, warum man das eine täglich benutzen, das andere bei Regenwetter tragen, das nächste möglichst nicht verlieren und das zentrale Gerät unseres Seins ständig bei uns führen sollten.
Alles lebensnotwendig.
Doch Gedanken? Sind die nützlich, kann man sich mit denen herausputzen oder helfen die bei der Mundhygiene? Machen die nicht viel mehr Arbeit, als dass sie für Leichtigkeit sorgen könnten?
Wie es hier üblich ist, säumen Fragen den Weg zu weiteren Gedanken. Hier über Gedanken.
Das Blöde: Man kann sich derer kaum entziehen. Sie kommen einfach. In der Regel im Alltag wenig gewichtig. Man muss an Omas Geburtstag denken, an die Einkäufe, an andere Arten der Erledigung. Manchmal, wenn man ein wenig Zeit hat, kann man die Gedanken vielleicht auch schweifen lassen und sich zum Beispiel Tagträumen hingeben. Oder ein guter Text bringt einen dazu, eine neue Idee zu entwickeln und hier einem Gedanken Bahn zu brechen, der vielleicht zu ungeahnten Erkenntnissen führt.
Greifen wir nochmal den Punkt vom Anfang auf: Wozu sind Gedanken gut. Können wir die nach Belieben ein- und ausschalten, auf genau eine Sache konzentrieren, sind die wie eine Rechnung strukturiert zu organisieren und abzuarbeiten?
In Zeiten, in denen uns einfach gestrickte Männer die Welt erklären und diese nach ihren Vorstellungen formen wollen, in denen künstliche Intelligenz - programmiert, zur Verfügung gestellt und orchestriert von wenigen Tech-Giganten - den Vormarsch in jede Lebenslage angetreten hat und der politische Betrieb nur noch strategielos auf die eine nach der nächsten Krise reagiert, hat es das Denken erkennbar schwer.
Denn diese Tätigkeit hat einen großen Nachteil. Damit Gedanken, kluge und dann auch noch menschliche entstehen können, braucht es eine der knappsten Ressourcen der Welt: Zeit. Und wer hat schon Zeit? Erst recht für Gedanken?
Denn Gedanken haben einen weiteren Nachteil: Man sieht nicht, wie sie verlaufen und weiß nicht, was sie bringen. Sie unterliegen weder einer Effektivitäts-, erst recht nicht einer Effizienzlogik. Und sie lassen sich nur schwer bis gar nicht steuern, somit nicht kontrollieren.
Das ist in einer Welt der Verwertungsökonomie fatal.
Denn das, was über Gedanken entstehen und sich weiterentwickeln kann, wird oft genug gleichgesetzt mit überflüssig. Dazu gehören Kreativität, Innovation, Kultur, Gesellschaft und anderes mehr, was schnell in die Rubrik „soft skills“ und damit als unbedeutend abgetan wird. Heute zählen nur noch harte Fakten, harte Kerle und harte Entscheidungen.
Die Sache hat einen Haken. Menschen, die Welt, in der wir leben, der Planet und das Leben als solches - all das ist kein System, das gedankenlos zu steuern wäre. Erst recht nicht von oben. Und auch nicht technologisch.
Wir sind alle in der Lage, nachzudenken. Über Fakten, aber auch über Gefühle. Und wir sind in der Lage, uns über all das frei auszutauschen. Um darüber wieder Gedanken zu entwickeln, wie wir die Zukunft gestalten wollen, in der es sich gut für alle leben lässt.
Und so kann der Appell hier nur lauten: Laßt die Gedanken zu und laßt andere daran teilhaben. Denn die Gedanken sind nicht nur frei, sie ermöglichen uns auch ein freies Leben.
Wird spannend zu sehen, was daraus entstehen kann.