„Ich will verstehen.“
Erzählung
Heute werden vielfach „Erzählungen“ eingefordert, wahlweise auch „Narrative“, die die Kraft haben sollen, Menschen zu etwas zu motivieren - zu etwas, das sie möglicherweise erst mal gar nicht wollen. Wenn man den sauren Drops in eine süße Verpackung, die scheußliche Wirklichkeit in schöne Worte kleidet, dann - so die Idee dahinter - kommt man damit durch und erreicht sein Ziel.
Hinter dieser Auffasssung stecken allerdings verschiedene Probleme: Zum einen in der Erzählung selbst.
Prognose
Nimmt man dieses aus dem Lateinischen bzw. Griechischen kommende Wort auseinander, so erhält man ein „für“ oder „voraus“ und eine „Erkenntnis“, wobei Gnosis weniger eine wissenschaftlich-rationale, sondern eher eine religiös-mysthisch ermittelte Erkenntnis meinte.
Der Begriff benennt also ein Vorher-Wissen, eine Vorhersage (z.B. über den Verlauf eines Prozesses). Dass es mit dieser Sache so eine Sache ist wissen wir spätestens, seit es die Wettervorhersage gibt. Meist kommt es anders, als man denkt.
Trotz
Mal wieder ein Begriff, der bei uns keinen besonders guten Ruf genießt. Trotzköpfe sind renitente Störenfriede, Nein-Sager und biestige Zeitgenossen. Schon in der Jugend-, vor allem der Mädchenliteratur, werden sie entsprechend miesepetrig und unsympathisch dargestellt.
Dabei hat der Trotz - und erst recht der in Verbindung mit einem Kopf - ganz schön viel zu bieten.
Haltung
Gar nicht so leicht, eine Haltung zu finden, zu haben, zu vertreten. Etwas, das einem selbst und im besten Fall auch anderen Halt gibt. Wir wünschen uns verbreitet einen Rahmen und gleichzeitig Freiheit, eine Orientierung und gleichzeitig ein Suchfeld, Gefaßtheit und das Experimentelle, kreatives Chaos und stabile Ordnung.
Klugheit
Man mag manchmal den Eindruck bekommen, diese Eigenschaft sei der Menschheit abhanden gekommen. Vieles, was um uns herum geschieht, was Menschen veranlassen, anderen Menschen und der Welt zufügen, das hat mit Klugheit nichts zu tun.
Eine Feststellung, die wiederum erst einmal dazu führt, nachzuhaken, was denn Klugheit überhaupt ist. Oder sein kann.
Freude
Bei aller Verzweiflung, Traurigkeit und Verunsicherung, die die Welt tagtäglich bei Vielen erzeugt - mit gleichen Mitteln kann man diese schwere Last nicht aus der Welt schaffen. Es braucht etwas anderes.
Vielleicht ist Freude gar nicht so einfach hervorzurufen wie ihr Gegenteil. Wie schnell ist ein böses Wort gesagt, wie schnell kommt miese Laune auf, wie schnell beklagt und beschwert man sich, wenn es nicht genauso läuft, wie man das erwartet.
Schublade
Es dürfte kaum einen Haushalt geben, in dem man nicht mindestens eine Schublade findet. Vielleicht ist es sogar das Möbelstück mit der größten Verbreitung. Schubladen finden sich in allen Räumen, darin verstaut werden Socken, Löffel, Krimskrams und alles, was nicht einfach so herumliegen soll.
Eine Schublade also ist Stauraum, der Dinge aus dem Blickfeld schafft.
Impuls
Dringend gesucht: Impulse, die uns weiterbringen, ein Anstoß, der uns die Energie gibt, mit der wir den Fragwürdigkeiten dieser Welt trotzen können und die uns damit dem Trübsinn entreißt.
Gleichzeitig wird gewarnt: vor zu impulsivem Verhalten, also vor unbedachten spontanen Aktionen, von denen man nicht weiß, wo die hinführen. Schon wieder so eine schwierige Angelegenheit. Und eine Kulturfrage.
Selbstbestimmung
Wohl kaum jemand würde die Frage verneinen, ob man ein selbstbestimmtes Leben führen wolle. Das Gegenteil wäre ja furchtbar: Fremdbestimmung.
Doch was heißt das eingentlich, selbstbestimmt zu sein? Ist das dann grenzenlos frei, ungebunden, alles ist möglich? Ist es eine Lebensmaxime? Eine Haltung? Ein Auftrag? Vielleicht sogar eine Verpflichtung?
Toleranz
Auch bei diesem Begriff, den wir heute als so selbstverständliche Tugend gerne vor uns hertragen, ist es interessant, mal auf die Herkunft zu schauen. „tolerantia“ bedeutet die Fähigkeit, ertragen zu können. Erst mal ist hier also ein passives Aushalten und Dulden gemeint.
Sicherheit
Wie gerne wiegen wir uns in Sicherheit, lassen uns einlullen, und wenn die Schwingung dieser Wiegebewegung ganz sanft ist, dann schlafen wir ein.
Sicherheit ist das Gegenstück zu Angst. Wenn alle Türen abgeschlossen sind, die Alarmanlage scharf gestellt ist und der Hund wacht, dann können wir uns beruhigt zur Ruhe legen.
Solidarität
Schon wieder ein so großes Wort. Solidarität wird verbreitet eingefordert. Von Familienmitgliedern über Kolleginnen und Kollegen bis hin zu Nachbarn und Nationen. Vom politischen Spektrum mal ganz zu schweigen, das keine Bühne auslässt, um Solidarität vollmundig zu versprechen oder in Aufrufe zu verpacken.
Erziehung
„Ach, ist das Kind aber gut erzogen“, heißt es von Erwachsenen, wenn eben jenes Kind ganz leise ist, still vor sich hinspielt, nicht quengelt, nichts herumwirft, mit einem Besteckteil sein Essen einigermaßen sauber zum Mund führt. Wenn es also in eine Ordnung passt, die die Gesellschaft goutiert. Wenn es sich möglichst unauffällig verhält.
Parodie
Zuweilen mag man den Eindruck gewinnen, die ganze Welt sei eine Parodie. Man weiß nur noch nicht, ob man gerade eine gute oder schlechte dieser Sorte erlebt.
Kaum mehr etwas ist ein Original, ein künstlerisch, kreativ wertvolles schon mal gar nicht. Stattdessen wird eine Nachahmung geliefert, etwas, das so ähnlich sein soll, wie ein Original oder zumindest so, wie man sich ein Original vorstellt.
Identität
„Was bin ich“ war in den 50er bis 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mal eine beliebte TV-Show, ein heiteres Beruferaten, wie es im Untertitel hieß. Das Quizteam sollte durch annähernde Fragen herausbekommen, welcher Tätigkeit die eingeladene Kandidatin oder der Kandidat nachgeht. Ein Suchen ins Ungewisse hinein, denn das Quizteam musste Augenmasken tragen und konnte die mehr oder weniger prominenten Gäste nicht sehen.
Moderation
Der Bedarf an Moderation ist groß. Noch größer der an entsprechenden Profis, die dem Wortsinne entsprechen und sich zurückhalten und mäßigen. Gar nicht so einfach in Zeiten, die oft genug durch das Gegenteil geprägt sind.
Da wird gepöpelt, es werden Beleidigungen ausgespuckt, Unwahrheiten in die Welt geschrieen, aggressiv gedroht; sogar Handgreiflichkeiten hat man schon in Kreisen gesehen, in denen es doch eigentlich um Diskurs, um Verständigung, um Lösungsbereitschaft gehen sollte.
Diplomatie
Das Wort verwendet man, wenn es darum geht, etwas vernünftig, im Gespräch, politisch korrekt und konstruktiv zu lösen. Besonders verorten wir es in der Politik.
Auch in der Pädagogik findet es sich, denn für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen braucht es oft genug diplomatisches Geschick und Fingerspitzengefühl.
Wachstum
Harmloses Wort, sollte man meinen. Und doch eines, das so unfassbar viel Interpretationsspielraum hat. Vom Kind, das wächst – „Ach, ist der groß geworden!“ – über Haare, die lang werden bis hin zu Märkten und Vielem mehr.
Es ist meist erst im Kontext klar, ob das jeweilige Wachstum zu begrüßen ist oder eher nicht. Denn: Wachstum ist nicht per se etwas Gutes. Wachsen Schulden, Krisen, Konflikte und überhaupt die Sorgen, sind dies keine Gründe für Freudensprünge.
Prinzip
Das Prinzip hat es in dieser Zeit nicht leicht. Zwischen Prinzipienreitern und prinzipienlosen Gesellen sucht es seinen Platz. Grund genug, sich mit diesem doch eigentlich so hehren Anspruch einmal zu befassen.
Fangen wir mal wieder vorne an, beim Wort selber.
Perspektive
Nähert man sich dem Wort - was hier ja immer gerne gemacht wird - dann könnte man meinen, Perspektive hätte etwas mit Duchblick zu tun. Mit einer Perspektive ist dann entsprechend die Vorstellung verknüpft, dass man Klarheit hätte.
Problem: Eine solche Vorstellung geht einher mit der eigenen Perspektive, die nur den einseitigen Durchblick kennt. Von da aus ist alles eindeutig. Man hat die Sache im Auge, also im Griff und sowieso verstanden.