Selbstverständlichkeit

So ein scheinbar einfaches Wort - doch das hat es in sich.
Was ist heute schon selbstverständlich?
Machen wir uns erst mal wieder die Mühe, dieses Wort überhaupt zu verstehen.

Wird es gebraucht, soll es zumeist ausdrücken: kein Problem, wird gerne erleledigt, man kümmert sich ohne weiteres Nachfragen. Ganz selbstverständlich eben.
Dem Nachbarn fehlt Salz für die Suppe - da hilft man aus. Die Touristin sucht eine Adresse in der unbekannten Stadt - Auskunft wird gerne erteilt. In diesen Fällen hat man, was Andere brauchen und kann ohne weiteren Aufwand aushelfen.

Anders wird es, wenn es um mehr geht, als um das Salz für die Suppe:
Es braucht kontinuierliche Unterstützung bei einer schwierigen Herausforderung. Eine Frage läßt sich nicht einfach beantworten, man muss sich selber erst mal schlau machen, tiefer einsteigen.

Da wird es nicht mehr so selbstverständlich - man hat doch selber schon genug um die Ohren. Da hält es nur auf, sich auch noch um Andere oder Anderes zu kümmern.

In dem Moment, wo es in die eigene Situation oder die eigene Planung nicht hineinpasst, ist es schnell vorbei mit der Selbstverständlichkeit.
Denn - Vieles versteht man ja selber nicht mehr.

Da brauchen wir noch nicht mal das Schwarze Loch, das eben extrem fern und in jeder Hinsicht undurchsichtig ist. Man versteht die eigenen Kinder nicht, den Kunden noch weniger, auch nicht die Äußerungen aus dem Politikbetrieb. Eigentlich ist einem die ganze Welt abhanden gekommen.

Warum? Ist alles zu viel? Kann man nur noch als Expertin den Durchblick haben? Oder ist es vielleicht viel einfacher?

Möglicherweise kommen wir in der Sache weiter, wenn wir Verständnis nicht verwechseln mit Wissen. Wir können nie alles wissen. Doch darum geht es auch gar nicht.

Im Verständnis steckt Verstand. Wenn wir uns mal bewusst machen, dass der nicht einfach da ist, sondern gefüttert werden muss, um sich zu bilden und zu entwickeln, dann kommen wir der Sache näher.
Es ist ein Irrtum, wenn behauptet wird, der Verstand bräuchte Fachwissen, Definitionen, Daten, um wachsen zu können.

Das ist oft das, was die Bildungsindustrie anbietet. Geschichtszahlen lernen, mathematische Formeln wiedergeben, Grammatik pauken. Das alles hat noch lange nichts mit Verständnis zu tun.

Wir brauchen mehr Anlässe, mehr Ideen, die geeignet sind, den Verstand zu bilden und Verständnis zu üben. Sich zu öffnen für das Beobachten, fürs Zuhören, Hinschauen, Hinterfragen, Neugierigbleiben - damit erst entwickelt man Verstehen.

Das impliziert auch, das Sich-Selbst-Verstehen. Wer ist man im Kontext dieser Welt? Was braucht es, um einen Beitrag zu geben, der uns alle weiterbringt? Welche Gedanken müssen wir austauschen und immer weiterentwickeln, um den Verstand zu füttern?

Bevor wir zum Schluß kommen, muss noch dieses Mißverständnis ausgeräumt werden: Der Verstand schließt Emotionen nicht nur nicht aus, Gefühle spielen eine wesentliche Rolle dabei, eine Haltung von Selbstverständlichkeit einzunehmen.

Hineinfühlen geht mit Verstehen einen besonders wirksamen Pakt ein. Erst, wenn beides zusammen kommt, wird Vieles selbstverständlich.

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