Entscheidung
Täglich werden sie getroffen. Entscheidungen. Der Wortbedeutung nach müsste damit gemeint sein, etwas vorher Getrenntes, Geteiltes wieder zusammenzufügen. Man bereinigt demnach eine uneinige Situation, bringt eine konstruktive Lösung herbei. Das Gegenteil von Scheidung.
Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Schauen wir uns mal an, was derzeit so an Entscheidungen zu beobachten ist. In welchem Gewand kommen sie daher.
Wir sehen Dekrete. Wir sehen Anweisungen. Wir sehen Richtlinien, Reglements, Gesetzesvorlagen und manch andere ordnungspolitische unidirektionale Maßnahme. Da wird von Obrigkeiten etwas bestimmt, was andere auszubaden haben.
All das gehört in die Kategorie autoritärer Machtausübung. Dabei wird allerdings nicht im oben gemeinten Wortsinne entschieden, also etwas konstruktiv zusammengefügt. Ganz im Gegenteil. Es wird gespalten, was das Zeug hält. Viele der Entscheidungen, die gerade mit großer Geste und vollmundig in die Öffentlichkeit postuliert werden, sind faktisch Scheidungen. Und zwar der ganz brutalen Art. Da wird auf den Tisch gehauen und derart brachial um sich geschlagen, dass kein Auge trocken und kein Glashaus intakt bleibt.
Bei dieser Art Entscheidungen, die im politischen, im wirtschaftlichen, im medialen Spektrum weltweit Konjunktur hat, geht es nicht darum, für eine Region, ein Land, eine Bevölkerung, für Menschen kluge Wege zu bahnen, auf denen Gegenwart und Zukunft mit dem Bewusstsein von Verantwortung lebenswert gestaltet werden können. Vor allem geht es nicht darum, die Menschen zu hören und sie in die Entscheidungen einzubeziehen.
Es geht darum, Macht auszuüben und sich dabei - in welcher Weise auch immer - zu bereichern. In diesem schlechten Film haben Männer die Hauptrollen gekapert, drängen Frauen und alle, die ihnen Macht streitig machen könnten, die ihnen mit Fragen im Weg stehen, aus dem Weg. Sie ermächtigen sich selber und trennen alles andere aus ihrem Umfeld ab.
Solchen Figuren geht es nicht darum, demokratisch, diplomatisch und kommunikativ Antworten auf die Unmenge an drängenden Fragen zu finden, die uns herausfordern. Ihnen geht es alleine darum, für ihre unbedeutend kleine Zeit auf dieser Welt alles an sich zu ziehen, was eigene Vorteile verschafft.
Und weil so Vielen das Denken, das Verstehen von Zusammenhängen, das Überblicken von Konsequenzen solcher Vorgehensweisen abhanden gekommen ist, ziehen diese wenigen, aber lauten und aggressiven Personen ohne allzu großen Widerstand polternd über die Köpfe der Menschheit hinweg.
Die Reaktionen der Betroffenen gehen von „was soll man schon machen“ bis hin zu „endlich werden mal Entscheidungen getroffen“, also von Resignation bis hin zu reflexartiger Erleichterung, dass einem das Denken und Machen abgenommen wird.
Eine fatale Entwicklung. Denn sie führt eben nicht zu Lösungen, die diesen Planeten mit Menschheit, Flora und Fauna in eine glorreiche Zukunft führen könnten. Sie führt schnurstracks in ein Desaster, in dem wir keine Möglichkeit mehr haben, gemeinsam kluge Entscheidungen für das Leben zu vereinbaren. Dann entscheidet das berühmte Schicksal, dem wir ausgeliefert sind.
Wenn man daran glaubt, dieses Szenario vor sich hat, dann können wir das Ende jetzt schon sehen. Wenn man allerdings entschieden genug ist und Menschen erreicht, die in den Austausch gehen und gemeinsam Entscheidungen treffen wollen, dann ist genau jetzt die Zeit, sich zusammenzutun und loszulegen.
Das wäre mal eine richtig gute Entscheidung.