XL
„Extra Large“ ist nicht nur groß, sondern ganz besonders groß, riesig also. Das ist doch kaum steigerbar, sollte man denken. Riesiger als riesig klingt irgendwie schräg: größer als ein Riese? Was soll das sein? Das Übermaß.
Mit nur drei Größen – S, M und L – kommen wir schon lange nicht mehr aus. Von XS, sogar XXS (da bleibt noch nicht mal ein Zwerg übrig, um in der Analogie zu bleiben) bis zu einem vielfachen, unendlich fortsetzbaren X vor dem L (zuletzt konnte man im Modebereich von 15XL lesen) ist die Bandbreite genau das: breit. Sehr breit.
Nicht nur die Produkte der Textilindustrie haben enorme Ausmaße angenommen, das Thema zieht sich durch alle möglichen und unmöglichen Bereiche: durch die Regale für Süßigkeiten und Softdrinks, durch das Shampoo-Angebot, die Urlaubswerbung bis hin zu den immer opulenteren Automodellen. Das mittlere oder gar das kleine Format reichen uns schon lange nicht mehr.
Nicht nur groß muss es sein, auch immer mehr, immer öfter, immer weiter. Und es handelt sich dabei nicht um einen sportlichen Ehrgeiz im olympischen Sinne.
Allerdings gerät man bei diesem Streben nach solchen Dimensionen doch ganz schön aus der Puste. Man muss sich ziemlich abrackern, um Wachstum, Ergebnisse und Erlebnishorizonte immer weiter zu steigern und zu erweitern.
Warum also tun wir uns das an? Geht es nicht ein wenig kleiner?
Dass Maximierung in allen Bereichen und für alle nicht die Idee sein kann, setzt sich zunehmend durch. Und für Viele ist diese Aussicht kein Schreckensszenario, sondern hat fast den Effekt von Wellness: sehr entspannend, sehr beruhigend und in der Wirkung nahezu verjüngend.
Man könnte sagen: Schön!
Vielleicht kultivieren wir wieder das Besondere, das Einmalige, das Reduzierte, die kleine Aufmerksamkeit, nicht den großen BÄNG. Es könnte sein, dass eine solche Entwicklung ganz wunderbare Möglichkeiten eröffnet: mehr Gerechtigkeit, weniger Neid, größere Gelassenheit (an der Stelle wäre ein Mehr durchaus von Vorteil) – schlicht ein gutes Leben. Für mehr Menschen.
Geht auch ohne Fernreise, 10-Gänge-Menü, überquellende Kleiderschränke, Einreihen in kilometerlange Staus und Shoppen im Cyber-, Black- oder Valentine-Super-Schnäppchen-Rausch.
Das X streichen wir doch einfach mal. Das hat ja auch sonst nicht viel zu bieten. Und klingt darüber hinaus nicht wirklich freundlich: iksz.
Da bekommt man gleich Schluckauf.