Verzicht

Ein ganz häßliches Wort. Im Gegensatz zu Erbaulichkeiten wie Shoppen, Genießen und die unbegrenzten Möglichkeiten der „freien“ Wirtschaft ist Verzicht etwas, das wir uns nicht nur abgewöhnt haben – der Begriff gilt stellvertretend für alles, was langweilt und wohl kaum Spaß machen kann.

Diejenigen, die dieses Wort im Munde führen, sind entweder arm dran, ideologisch verbiestert oder zumindest fragwürdig. 

Diejenigen wiederum, die das Leben ausfüllen mit abwechslungsreichem Programm, die mit Verve nach vorne und immer weiter drängen, für die es keine Grenzen und keinen Halt gibt, das sind die Leute, die viel Content liefern für eine nach Inszenierung und Aufmerksamkeit gierende Community, die in den 2000ern auch schon mal eine „Spaßpartei“ hervorgebracht hat. Es muss immer was Neues geboten werden, Entertainment wird hier groß geschrieben.

Verzicht ist von all dem sozusagen das Gegenteil. Nicht „marktfähig“.

Es impliziert den Verlust – von Besitz und Bestand, von Gehabtem und Gewohntem. Wir können es uns leisten, haben hart genug dafür gearbeitet, die Kinder sollen doch alle Möglickeiten haben. Nicht weniger, sondern mehr heißt die Devise für ein erfolgreiches Leben in einer Non-Stop-Glückseligkeit.

Warum ist das so? Warum führen existenzielle Menschheitskrisen auf dieser Welt nicht zu neuen Ein- und neuen Ansichten? Warum ist es so schwer, dem aufgeregten „Ich will alles“-Imperativ eine besonnene Frage wie „Was wollen wir für alle?“ entgegenzusetzen? 

Ist es der simple Egoismus, der dieses Verhalten treibt? Oder ist es die letzte Party vor dem Untergang? Oder ist es Ignoranz? Oder gar eine glasklar getroffene Entscheidung, dass man selber nicht zuständig ist und das Problem doch bitte andere lösen und die Suppe auslöffeln sollen. Soweit denn überhaupt noch Suppe da ist.

Solange Verzicht mit dem Gegenteil von Freude, von Lebensqualität, also nur mit Verlust und einem Weniger assoziiert wird, wird es nicht zu dem kommen, was wir dringend brauchen: Eine lustvolle, entschiedene Haltung, die aus dem Weniger – weniger Verbrauch, weniger Müll, weniger Verschwendung – ein Mehr macht: Mehr Verantwortung, mehr Teilen, mehr Gerechtigkeit, mehr Miteinander, mehr Sinn. Mehr Menschlichkeit.

Verzicht kann tatsächlich eine neue Welt öffnen, in der wir uns nicht beschränken, sondern konzentrieren auf das, was für ein menschenwürdiges Leben notwendig ist. Eine Welt, die nicht nur den eigenen Vorteil sieht, sondern die Welt in ihren Zusammenhängen erkennt und Verantwortung als den wahren Spaß, der uns allen ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern kann.

Wer hätte das für möglich gehalten?

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