Geduld
Dieses Wort scheint ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein. Erst recht ein anderes Wort, das Ähnliches meint: Langmut.
Beides sind Begriffe, die schon lautmalerisch nichts haben von Hektik, Eile oder gar Action.
Will man jemanden in seinem schnellen Tun zur Ruhe bringen, sagt man besänftigend: „Geeduuuld!“ Und das Wort Langmut spricht sich schon fast automatisch langsam.
Doch man sollte sich nicht irren: Geduldige Menschen sind nicht bummelig, sie sind nicht unfähig, flott etwas zu tun, sich zügig zu bewegen oder schnell etwas zu erledigen. Sie wissen jedoch zu unterscheiden zwischen den Dingen, die termingerecht zu Ende zu bringen sind und denen, die erst mal durchdacht, ausprobiert, verworfen und wieder neu angegangen werden müssen.
Dass es geduldige Menschen nicht immer leicht haben in einer Zeit, in der keiner mehr Zeit hat oder Zeit gewährt, das ist schnell erkennbar. Denn äußert jemand, er habe Zeit und könne sich in Ruhe um etwas kümmern, ist das fast schon verdächtig.
Doch Geduld ist notwendig, wenn man etwas erreichen will, was nicht in den Bereich der Routinen gehört, wenn unbekanntes Terrain betreten wird oder auch, wenn Vieles und Viele betroffen sind von einer Entscheidung. Dann sollte doch lieber etwas Langmut zugrunde gelegt werden, als dass das Zeitfenster auf Luken-Format geschrumpft wird.
Geduld sei eine Tugend, hört man häufig. Doch offenbar hat diese Tugend keine wirkliche Anerkennung mehr. Von „schnellem Geld“, das jemand gemacht hat, kann man immer wieder hören. Meist schwingt eine gewisse Bewunderung mit. Kennt jemand „langsames Geld“?
Unsere Gesellschaft ist verbreitet auf Zukunft ausgerichtet, auf das, was noch zu tun ist, was es noch zu erreichen gilt, was jetzt gleich geschafft sein soll, auf die Wunder, die uns da noch erwarten. Doch ohne Vergangenheit, die man erfahren hat und in der man lernen konnte, Dinge einzuschätzen, ohne Gegenwart, in der Empfindungen aus dem Hier und Jetzt Eindruck hinterlassen, kann man auch keine Zukunft gestalten, die einer Gesellschaft Struktur gibt und die für alle lebenswert ist.
Aus den Fäden der Zeit kann man mit Geduld ein Gewebe knüpfen. Und je konsequenter, je aufmerksamer, also je geduldiger man dies tut, desto reißfester wird es. Mit einem festen Geduldsfaden kann man immer weiterspinnen an einer Struktur, die vertrauenswürdig ist. Ein mit Geduld entwickeltes Gewebe wird nicht schnell wieder fadenscheinig, sondern bleibt bei aller Flexibilität so stabil, dass es hält, auch wenn der Wind mal ein wenig fester daran zerrt oder es mehr tragen muss, als ursprünglich gedacht.
Geduld ist die Grundlage von Strategie, die nicht nur auf Kante genäht ist, sondern die alles einbezieht, was mit ruhiger Beobachtungsgabe entdeckt, erfahren, erlebt und verstanden werden konnte. Nicht nur für den Moment, sondern für lange.
Kann man ja mal mit Geduld drüber nachdenken.