Frage

Die Frage ist die Mutter des Wissens. Richtig gelesen. Nicht die Antwort.

Nun hat die Frage nicht den allerbesten Ruf. Steht sie doch gemeinhin für Ahnungslosigkeit, für Verunsicherung, für eine schlechte Ausgangsposition in einer Gesellschaft, die die Lösung - vorzugsweise die schnelle - bevorzugt und einfordert.

Was für ein Mißverständnis. Hier soll also der Frage ein Denkmal gesetzt werden.

Ohne die Frage, die in so vielfältiger Art und Weise daher kommt, gäbe es nichts, würde sich nichts entwickeln, wäre die Welt ein äußerst langweiliger Ort.

Die Frage geht eng einher mit ihrer Schwester, der Neugier. Die hat einen noch schlechteren Ruf als die Frage. „Sei nicht so neugierig!“ Mit dieser Ermahnung wird Kindern - und überhaupt allen, die ungehörige Fragen stellen - das Erforschen ausgetrieben. Der Drang, sich zurechtzufinden, die Welt zu erkunden, sich selber zu verstehen, Zusammenhänge kennenzulernen, also all das, was Bildung im Kern ausmacht, dieses Bestreben wird mit einer solch knapp dahingeworfenen Aussage abgewürgt.

Diese Sichtweise hat übrigens eine lange Tradition, die in der Abwertung menschlicher Leidenschaften begründet liegt. Alles, was mit Gier zu tun hat, ist untugendhaft, also wahlweise Laster oder Sünde. Alles, was dagegen „vornehme“ Zurückhaltung ausmacht, was also auch Kontrolle verspricht, das ordnet man den Tugenden zu. Wer hat das wohl erfunden?

Hier kommt nun also mal das Plädoyer für mehr Fragen, für mehr alltägliches Forschen, für die Neugierde, das Hinterfragen, das Infragestellen. Dafür, die Kontrolle abzugeben an die Regellosigkeit, die mit der Öffnung von scheinbar Feststehendem einhergeht.

In einer Welt, die scheinbar aus dem Lot gerät, rufen Viele nach Antworten, nach Lösungen - und zwar vorzugsweise den einfachen. Man will sich nicht quälen mit Fragen, auf die man selber keine Antwort hat und die möglicherweise - wenn man sie denn zulassen würde - auch noch immer mehr Fragen aufwerfen. Wo soll das enden? Wenn es schon auf eine Frage keine einfache Antwort gibt, wie soll das dann bei vielen Fragen - und dann auch noch aus so völlig unterschiedlichen Bereichen - funktionieren?

Die einfache Antwort: Gar nicht. Fragen sind nicht dazu da, eindeutig beantwortet zu werden. Fragen sind der Motor, der uns antreiben sollte, uns zu bewegen. Nicht nur physisch, sondern vor allem mental. Fragen sind der Schlüssel zu neuen Erkenntnissen, zu anderen Perspektiven, auch dazu, in neue Räume zu gelangen, in die wir uns bislang vielleicht nicht hineingewagt haben.

Machen wir mal ein Experiment und fragen uns: Was machen wir morgen? Könnte man als banale Frage werten. Nun, das was ansteht. Oder man könnte daraus eine Herausforderung machen, die Neugier ans Ruder zu lassen, um etwas Neues herauszufinden. Oder um etwas Bekanntem einen neuen Rahmen zu geben.

Vielleicht erscheint das unnötig - ist doch alles so schön bequem, wie man es sich eingerichtet hat. Vielleicht macht die Vorstellung nervös – was soll das denn bringen? Vielleicht aber führt diese Verunsicherung, auf die man sich einlässt, zu dem guten Gefühl, weiter zu kommen, sich zu entwickeln und damit ungeahnte Möglichkeiten zu entdecken.

Feiern wir also doch mal die Frage. Nicht, wer die richtige Antwort liefert, bekommt die Punkte, sondern diejenigen, die die spannendsten, die irritierendsten, die menschlichsten, die verrücktesten Fragen stellen.

Mit dieser Dauerschleife sollten wir nie aufhören. Neugierde ist ein entscheidendes Merkmal, das uns ausmacht. Wir sind gut beraten, die wach zu halten. Denn es werden immer mehr Fragen kommen. Und das ist eine gute Nachricht.

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